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Pilzkunde für jedermann (3. Teil)
Pilze im Winter (?)
Im Winter, so vermuten viele Naturfreunde, gibt es
keine, oder äußerst selten frisch wachsende Pilze. Insider
wissen es besser:
Zugegeben, für den ausgesprochenen Speisepilzsammler, der in der
Regel 5-10 Arten kennt, ist die Wintersaison ein hartes Brot. Der naturschutzbewußte
Pilzfreund sieht dagegen auch im Winter die Natur und vor allem die ökologischen
Zusammenhänge mit wacheren Augen. Er beobachtet viel schärfer
und erkennt mehr Details, da er sich mit den Lebensansprüchen und
Gewohnheiten der verschiedenen Individuen kritischer auseinandergesetzt
hat. Letztlich darf er sich auch über viele kleine reizvolle Schönheiten,
die oft nur im Verborgenen leben, erfreuen.
So gesehen ist es für den versierten Pilzfreund ein Leichtes, auf
jeder Pilzwanderung im Winter ein paar Dutzend Arten zu finden und zu
erkennen. Einige Winterpilze, die sich auf die extrem "ungünstigen"
Lebensbedingungen der kalten Jahreszeit eingestellt haben, möchte
ich im folgenden einmal ansprechen:
Der Austernseitling, der als Zuchtpilz wohlbekannt und geschätzt
ist, wächst in der Natur erst nach den ersten Nachtfrösten.
Er benötigt zur Fruktifikation (Fruchtkörperbildung) einen Kälteschock.
Bei der Wirtswahl ist er nicht sehr wählerisch. Er besiedelt verschiedene
kranke Laubbäume und bringt diese zum Absterben.
Ein häufig zu findender Blätterpilz ist der Samtfußrübling.
Er wächst meistens büschelig, bevorzugt auf toten Ästen
oder Baumstümpfen von Weichhölzern wie Weide, Pappel u.a.. Seine
goldgelben, stets schleimigen oder klebrigen Hüte und die schwarzsamtigen
Stiele lassen keine Verwechslung mit einer anderen Art zu. Sie erscheinen
oft mit der ersten Schneeschmelze und sind dann ein hübsches und
kontrastreiches Fotoobjekt.
Der ebenfalls büschelig wachsende Winterhelmling, mit seinen
glänzend braunen bis tiefschwarzen kegelig-glockigen Hüten,
ist stets eine Augenweide.
Kiefern- oder Fichtenzapfenrüblinge sind fast auf jeder winterlichen
Wanderung anzutreffen. Die kleinen, grazilen ca. 1-3 cm groß werdenden
Pilzchen besiedeln ausschließlich Kiefern- oder Fichtenzapfen. Diese
sind manchmal unter einer Humusschicht verborgen, aber sorgfältige
Nachforschungen werden sie immer ans Tageslicht bringen.
An mit Holzhäcksel gemulchten Stellen in Parks oder an Straßenbäumen
kann man häufig ganze Trupps Winter-Trompetenschnitzlinge sehen.
Die Hutränder der jungen Exemplare sind mit weißen Flöckchen
(Reste der schützenden Hülle oder Velum des wachsenden Fruchtkörpers)
behangen.
Ein seltener und selbst vielen guten Pilzkennern wenig bekannter Winterpilz
ist der Pappelblatt-Schüppling. Zum einen hat er mit seiner
grau-olivgrünlichen Hutfarbe eine ausgezeichnete Tarnung. Er hebt
sich kaum vom gleichgefärbten modrigen Laub ab. Andererseits fragt
man sich: Wer geht schon im Januar oder Februar in reinen Pappelauenwäldern
auf Pilzsuche? Wer das Glück hat, die 1-3 cm großen Pilzchen
zu finden, wird sie stets auf modernden Pappelblättern, ganz selten
auch einmal auf Buchen- oder Eschenlaub, antreffen.
An frostfreien Wintertagen kann man noch eine Reihe hier nicht genannter
Blätterpilzarten finden und bewundern. Darüberhinaus steht ständig
ein ganzes Heer von Nichtblätterpilzen bereit, wie Porlinge, Stachelinge,
Gallert-, Pustel-, Keulen-, oder Schichtpilze, die fast ganzjährig
erscheinen und alle ihren besonderen Reiz haben.
Dem pilzkundigen Leser ist sicherlich längst aufgefallen, daß
hier von einer Pilzgruppe berichtet wird, die sich durch ihre Lebensweise
auszeichnet: alle Vertreter ernähren sich ausschließlich von
totem Holz, Pflanzen oder Laub. In der Fachsprache werden solche Pilzarten
Saprophyten genannt.
Aber keine der hier angesprochenen Pilzfamilien sind "Schmarotzer, gefährliche
oder holzzerstörende Parasiten oder gar unnützer Dreck", wie
viel unkundige Laien mangels Kenntnis der natürlichen Zusammenhänge
in der Botanik annehmen. Vielmehr sind sie unverzichtbar wichtige Glieder
im sich ständig wiederholenden Kreislauf der Natur. Gäbe
es sie nicht, wäre die Vorbereitung der Böden, die Bereitstellung
von neuem Humus für nachfolgende Vegetationen nicht gewährleistet.
Wir würden wahrscheinlich in Bergen von totem Holz, Pflanzen und
Blättern ersticken. (Aus Trittstein 4 / 1989)
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